Die Westfjord Rallye
Es fehlt nicht mehr viel und wir haben die ersten 1.000 Kilometer Strecke zurückgelegt. Mein rechter Fuß brummt bereits. Mittlerweile fühle ich 500m vorher, wo die Ideallinie zwischen den Schlaglöchern ist. Schafe auf der Straße umkurve ich mit links und einspurige Wege klappen easy auch schon mal mit Gegenverkehr. In den Westfjorden autofahren, härtet ab. In Berlin werde ich vermutlich meinem Auto mindestens ein Rad abmontieren, um das Niveau halbwegs gleichhoch zu belassen.
Aber von Anfang an. Auch heute war ich viel zu früh wach. Auch heute startete der Tag mit Regen. Auch heute änderte das rein gar nix an der guten Laune und dem Tatendrang. Das Frühstück im Hotel beginnt um 7 Uhr. Das ist innerhalb jener Zeitspanne, die ich nach dem Aufstehen bereit bin zu warten, bevor es losgeht. Also saßen wir beim klassischen internationalen Frühstück um 7 Uhr im Hotel und legten uns die digitalen Karten, wo es heute hingehen soll.
Im Subtext konnte man gestern raushören, dass das Schiffswrack der BA 64 nicht als größtes Highlight in meinen Islandurlaub eingeht. Ist halt nett aber haut mich nicht vom Hocker. Irgendwie waren wir dann heute trotzdem noch mal da. Das liegt vor allem daran, dass es in den Westfjorden nicht sonderlich viele Straßen gibt und ziemlich alle unsere Ziele heute daran vorbeiführten.

Wir folgten dann einer Straße, die eigentlich mehr aus Schlaglöchern als aus Weg bestand. Nach kurzer Zeit ging es sehr steil bergauf und wir waren in einer dicken Wolkendecke. Die Sichtweite war teilweise miserabel. Ich würde sagen, es waren keine 50 Meter. Neben Wind und Regen gesellten sich enge Kurven, uneinsehbare Hügel und die latente Sorge, dass das schon alles sehr extrem anmutet. Hier und da geistert dann auch die Frage durch den engen Raum des Autos: Sollten wir besser umkehren? Nach einer guten Stunde Tortur auf Rädern wurden wir belohnt…

Wisst ihr, ich sehe dieses Bild und es treibt mir sofort die Erinnerung ins Gedächtnis. Gleichzeitig ist es mit dem Makel befleckt, den soviele Bilder haben. Es zeigt nicht mal ansatzweise, wie eindrucksvoll sich der Vorhang der stressigen Fahrt lichtete und dieses Meisterwerk der Natur zum Vorschein kam. Vermutlich gehört es damit auch in die Kategorie „Muss man selbst erlebt haben“. Ein einmaliges Naturschauspiel, soviel steht fest.
Wir fuhren am Strand nach rechts. Und während ich insgeheim hoffe, dass meine alte Geografielehrerin diesen Blog nicht liest und mich anmault „Es gibt kein links und rechts – nur Osten und Westen“ dürft ihr euch anschauen, was es dort rechts zu sehen gab,

Es ist schon verrückt. Auf einer Insel, wo seiner Zeit eigentlich nur nordische Götter verehrt wurden und das Holz knapp war, hat also jemand festgestellt, dass es eine gute Idee ist, dem christlichen Gott mit einem Haus zu frönen, welches primär (ihr ahnt es) aus Holz besteht. Mich soll das nicht stören, schließlich ist es hübsch anzusehen.
Der eigentliche Star dieser Region ist aber natürlich der Rauðasandur. Das lässt sich recht simple mit „Roter Sandstrand“ übersetzen. In meinen Augen ist der Sand dort zwar eher orange aber nachdem ich gestern kein Sandexperte war, bin ich heute auch keiner. Und wenn ein Vikinger, der eine Kirche am Strand baut sagt, dass der Strand rot ist, dann ist er rot.

Als würde es nicht reichen, dass man einen endlosen orangen… ich meine roten Strand hat, ziehen sich unweit vom Wasser die Bergkämme entlang. Und weil auch das noch nicht genug ist, gesellen sich ein paar Wasserfälle ins imposante Bild.

Selbstredend gibt es dann noch eine Sache, die typisch isländisch nirgends fehlen darf….

Es ist der schiere Wahnsinn. Alles was das Auge auch nur streift, wäre es wert, dass man es auf eine Postkarte bannt. Jeder Blickwinkel schürte eine neue Faszination und wieder einmal stehe ich staunend da und kriege den Mund nicht mehr zu. Da ich mit offenem Mund aber eher dumm aussehe, gibt es dazu nur ein Foto von meinem Rücken.

Als nächstes wollten wir zum Látrabjarg. Der Látrabjarg ist der westlichste Punkt Islands. Es handelt sich dabei um eine Steilküste, die berühmt dafür ist, dass hier Millionen Vögel nisten. So ganz nebenbei ist es ein Wanderweg und teilweise geht es wenige Meter neben einem so circa 400m tief runter. Ich hab es nicht so mit Höhen und musste gerade erstmal googlen, was für ich mir da heute angetan habe. Spoiler: Meine Panik wurde nur von meiner Begeisterung übertroffen. Eine spannende Erfahrung. In Bildern sieht das dann etwa so aus…



Phasenweise merkte ich, wie mir das Herz im Hals schlägt. Wenn man ohne Sport den Puls hört, ist das selten ein gutes Zeichen. Auch hier gilt, die Natur ist atemberaubend. Ich kenne Steilküsten durchaus. Die Kreidefelsen auf Rügen sind auch beeindruckend. Der Látrabjarg ist aber eine ganz andere Nummer. Man steht in einigen Böen, irgendwelche Vögel segeln auf Augenhöhe wenige Meter neben einem durch den Wind. Der Abgrund ist immer nur zwei Ausrutscher weit weg und wirklich alles an diesem Ort wirkt gleichzeitig bedrohlich und wunderschön auf einen Menschen mit Höhenangst. Aber auch wenn ich dort heute geschätze 32 Liter Angstschweiß gelassen haben, ich würde sofort wieder hin.
Es gibt noch zwei Kleinigkeiten, die ich euch bei der Gelegenheit nicht vorenthalten möchte. Wenn man zum Látrabjarg fährt, kommt man unweigerlich an einem kleinem Dorf vorbei, dessen Namen ich mir nicht gemerkt hab. Ist aber auch egal, denn in diesem Dorf steht gut sichtbar eine alte verlassene Flugmaschine der US Navy.

Während das Schiff noch eine Gespenster-Atmosphäre ausstrahlte, war es hier doch eher wie im Horrorfilm. Alles knarzte und wirkte zerfallen. Es fehlt eigentlich nur, dass ein kautziger Mann mit Schrottflinte im Schaukelstuhl wippt. Es soll ja Leute geben, die so einen Ort sehen und gleich ein Haufen Motive für sich entdecken. Da würde ich meine Frau zu zählen. Ich dagegen stehe da und ja… ist halt ein Flugzeug ohne Flügel. In all meiner Brillianz würde ich kombinieren, dass es vermutlich nicht mehr fliegt und hätte damit alles geistreiche kundgetan, was mir dazu einfällt. Letztlich gilt das Gleiche, wie schon beim Schiff, es war auf dem Weg und es kostet nichts, wenn man anhält und es mal auf sich wirken lässt. Wäre es nicht dagewesen, würde ich trotzdem gut schlafen.
Die zweite Kleinigkeit ist, dass ich mal einen Einblick geben wollte, wie ein Auto nach einem Tag in den Westfjorden aussieht. Ihr erinnert euch an gestern, unser Auto wurde K(i)arla getauft und erstrahlt in einem satten rot. Wobei richtig formuliert müsste es heißen „erstrahltE“.

Auf dem Heimweg regnete es noch ganz anständig. Blöderweise hat es nicht gereicht, um Kiarla wieder zu säubern. Stattdessen haben wir jetzt ein Auto mit diversen Schlammpackungen. Bei Menschen soll das ja dazu führen, dass sie länger jung aussehen. Bei Autos fürchte ich, funktioniert das so nicht. Wir werden morgen mal schauen müssen, ob wir irgendwo einen Wasserschlauch finden und die Gute ein wenig säubern.
Den Tagesabschluss hatten wir bei einem Wasserfall. Wo ich so drüber nachdenke, hätte ich vielleicht da einfach mal durchfahren sollen. Es wäre die urtümlichste aller isländischen Waschstraßen geworden. Tja, da hab ich nun zu spät dran gedacht. Der Wasserfall war trotzdem schön. Fragt mich bitte nicht wie er heißt. Er war hübsch, das muss reichen 😉

Morgen verlassen wir die Westfjorde. Allerdings erst, nachdem wir uns noch eine Perle der Wasserfälle gegönnt haben. Die Tour wird uns dann wieder auf die Hauptinsel führen. Ich bin auf jeden Fall gespannt, was uns erwartet. Mir fällt dabei gerade auf, dass ich mir schon nicht mal mehr die Mühe mache, auf den Wetterbericht zu schauen. Am Ende macht es keinen Unterschied. Wir machen uns einfach eine schöne Zeit.
In diesem Sinne
Habe die Ehre
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„Niemand interessiert sich für Flugzeuge!“ 🙂
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Das ist ein Fakt 😀
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