Das Vermissen startet

Bis hoffentlich sehr bald in den Westfjorden

Die Westfjorde sind sicherlich nicht für jeden etwas. Es ist rau, karg und mehr als einmal findet man sich in einer Situation wieder, die einem als handelsüblichen Touristen missfallen würde. Achja, und alle Wege sind lang, weil egal wohin man will, es ist auf der anderen Seite von einem Fjord. Auf der Habenseite steht dagegen, dass es vermutlich keinen Ort gibt, der mehr Freiheit schenkt. Ich liebe es. Und so traf mich heute früh doch ein kleines bisschen Wehmut, dass wir dieses wilde Paradies bereits verlassen und wieder ins „normale“ Island zurückkehren.

Mein Schmerz sollte dadurch gelindert werden, dass wir noch eine letzte große Tour in einen anderen Fjord vorhatten. Genauer gesagt, wollten wir zur Perle der Westfjorde – dem Dynjandi. Allerdings sah Kiarla aus wie Sau und da es über Nacht geregnet hat, war der Staub / Dreck auf der Heckscheibe zu einer soliden Kruste gewuchert. Im Hotel habe ich geistesgegenwertig nachgefragt, was man als mäßig-begabter Handautowäscher in so einem Fall tut. Man gab mir den Tipp, dass an der hiesigen Tankstelle ein Konstrukt hängt, bei dem ein Schlauch Wasser durch eine Bürste pustet. Perfekt!

Men @ work

Alle sauber – wir können los. Unser erster Stopp sollte der gleiche Wasserfall werden, den wir gestern Abend schon besucht haben. Damit es heute dazu aber eine neue Information gibt, habe ich weder Kosten noch Mühen gescheut und den Namen herausgefunden – Fossfjörður Foss. Wieder was gelernt. Selbstredend gibt es auch wieder ein Bild dazu.

Zu deutsch: Fjordwasserfall

Da es bei dem schmucken Stück keine Parkplätze gibt und wir auch noch eine längere Tour vor uns hatten, ging es zügig weiter in die Tiefen der Fjorde. Das Reisen durch einen Fjord ist ein völliges Wechselbad der Eindrücke. Fährt man gerade noch an einem Strand, der optisch in einer Bacardi-Werbung vorkommen könnte, befindet man sich ein paar Minuten später in einer Umgebung, die einer fremden lebensfeindlichen Welt gleicht. Dazu der stetige Wandel des Lichts, bedingt durch permanente Wetterumschwünge. Es hat etwas surreales und ist für sich schon ein Erlebnis.

Auf Restisland findet man häufig kleine Hinweisschilder, wo sich die nächste Sehenswürdigkeit verbirgt. In den Westfjorden würden diese Schilder inflationär rumstehen und so haben scheinbar die 8 einheimischen Isländer beschlossen, dass sie die Touristen diesbezüglich sich selbst überlassen. Immer wieder kamen wir an Plätze, die überall sonst auf der Welt vermutlich Eintritt kosten würden. Man würde erwarten, dass irgendein ein schlauer Marketingmensch T-Shirts mit den Motiven der Natur druckt… aber nichts da. In Island haben diese Orte nicht mal Namen.

Ich habe euch mal ein paar Aufnahmen mitgebracht. Die Bilder sind allesamt auf einer puppnormalen Straße in den Westfjorden entstanden. Kein Aussichtspunkt oder eine besondere Route. Es war einfach ein Rastplatz.

Na klar, die Drohnenaufnahmen liefern auch noch mal ein bisschen was zur Perspektive. Das soll euch aber nicht täuschen. Mal abgesehen vom Matsch der Straße hat hier alles eine faszinierende Ästhetik.

Vielleicht ist es diese eigene Welt, die mich so begeistert. Eine Welt, die kantig ist und ihre eigenen Regeln hat. Eine Welt, die alles in Ihren Bann zieht und Dinge so anpasst, dass sie hier reinpassen. Und was nicht reinpasst…. nun, wir haben die letzten Tage genug Wracks gesehen. Unsere liebe Kiarla aber zum Beispiel hat sich angepasst. (ja, ich weiß soviel Dramatik, nur um ein schmutziges Auto zu zeigen…)

Da hat sich das Waschen gelohnt

Ein Funken Wahrheit steckt für mich da trotzdem drin. Wir haben die letzten Tage den ein oder anderen Touristen getroffen und da kamen auch mal Sätze wie „Hier will man doch nicht tot überm Zaun hängen“. Meine Frau und ich haben nicht die Intention hier tot über dem Zaun zu hängen. Aber ohne Zaun hier Leben und sei es nur für eine Weile…. warum eigentlich nicht?

Aber das Auswandern-Thema stellen wir mal nach hinten. Für den Moment sind wir beim Dynjandi angekommen. Der Dynjandi ist ein wahres Spektakel. Ein gigantischer Fächer aus Wasser, der aus irrer Höhe fällt und dann in mehreren Stufen neue Wasserfälle erzeugt, die dann ebenfalls wieder neue Wasserfälle erzeugen. Der Wasserfall ist für die Region megagut touristisch erschlossen. Man hat Parkplätze und sogar sehr gut gepflegte Toiletten. Die Wege sind zumindest am Parkplatz noch befestigt worden. Wer direkt vor dem Wasserfall stehen möchte, braucht dann aber schon festes Schuhwerk und den Willen eine sehr rustikale Treppe aus Natursteinen zu erklimmen. Ist aber alles mit normaler Kondition machbar.

Ich habe euch mal ein paar Wasserfälle fotografiert. Sie dürften sogar in der Reihenfolge korrekt sein (links nach rechts lesend). Theoretisch gibt es noch ein paar Wasserfälle mehr. Dazu kommen je nach Wasserstand auch noch weitere Fälle.

Und über all dem thront dann der Dynjandi.

Ein Meisterwerk

Man ist beinahe geneigt, vor dem Betreten der Plattform formell um eine Audienz bei seiner Majestät zu bitten. So wie der Dynjandi dröhnt, wäre es wohl nicht mal unwahrscheinlich, dass er Besucher pauschal ablehnen würde. Insofern ist es unser Glück, dass wir nicht fragen mussten und einfach hingehen konnten.

Die Beeindruckten

Ja und die schmutzige Kiarla, die wurde dann kurzerhand auch gleich noch mal für kitschige Urlaubsfotos missbraucht. Da muss sie durch.

halb Kleckerburg – halb Auto

Doch auch für Kiarla sollte es noch ein Happy End geben. Nach ein paar Stunden beim Dynjandi haben wir uns dann auf den Weg zu unserem nächsten Ziel gemacht. Runter von den Westfjorden und…. mal eine philosophische Frage zwischendurch: Wenn man von einer Halbinsel (welche an einer Insel hängt) runterfährt, ist man gedanklich doch auf dem Festland. Wenn dieses Festland aber eine Insel ist…? Kann eine Insel Festland sein? Es ist schon spät und der Tag war lang. Ich habe dieses Problem in meinen Gedanken nun mehrere Minuten lang nicht auflösen können. Womöglich erhellt mich jemand in einem Kommentar.

Jedenfalls – wir sind von den Westfjorden runter und da wir ein Herz für Mietwagen haben…

Handgewaschen…!

Zusammengefasst hatten wir heute noch mal richtig viel Glück mit dem Wetter und noch mehr Glück mit all dem, was wir erleben durften. Als wir den Urlaub geplant haben, waren die Westfjorde ein Fragezeichen. Natürlich wussten wir, dass auch hier schöne Natur wartet. Der Zauber, der von dieser teilweise unwirklichen und unberührten Welt ausgeht, hat mich dann aber doch zutiefst überrascht und in seinen Bann gezogen. Schon jetzt denke ich gern an die Westfjorde zurück. Es wird wohl so sein, wie bei Kiarla. Der Alltag wird die Spuren der Westfjorde so nach und nach von mir nehmen – ein bisschen was, wird aber wohl für immer an mir haften. Gott, wie dramatisch – aber lasst mir das. Es war eine Erfahrung und ich bin sehr sehr dankbar.

Morgen geht es dann im Nordwesten des Festlands (ja, ich hab mich entschieden – es ist Festland) weiter. Es stehen diverse Markierung auf meiner Sehenswürdigkeitenliste auf dem Programm. Laut Wetterbericht werden wir den Großteil unserer Zeit im Regen verbringen aber würde mir noch irgendwer glauben, wenn ich jetzt behaupten würde, dass mich das stört? Eben… es wird eine gute Zeit.

In diesem Sinne

Habe die Ehre
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6 Kommentare zu „Das Vermissen startet

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