Wir schaffen Erinnerungen
Heute morgen blies uns erstmal der Wind kräftig um die Ohren. Beim Ausschecken aus dem Hotel fragte uns der Besitzer noch, wohin wir weiter fahren und warnte uns, dass es selbst für isländische Verhältnisse heute knackig werden könnte.
Positiv betrachtet hatten wir heute gar nicht soviel Sightseeing geplant. Denn auf dem Programm stand, dass wir unsere Isländisch-Lehrerin besuchen. So ganz ohne Touri-Erlebnis geht es aber natürlich dann doch nicht. Wir fuhren unter einem durchaus spannendem Himmel in Richtung Dimmuborgir. Klar, es sind am Ende nur Wolken. Ich würde jedoch behaupten, dass die sich in Island anders verhalten als im guten alten Berlin. Es ist, als ob die sich viel sichtbarer auftürmen. Es geht regelrecht eine Bedrohlichkeit von ihnen aus. Hübsch anzusehen sind sie dabei aber auch.


Doch egal wie faszinierend die Gebilde im Himmel so sind, wir sind für die Highlights auf dem Boden hier. Namentlich besagtes Dimmuborgir. Übersetzt bedeutet der Name soviel wie „Dunkle Türme“. Vermutlich hängt es davon ab, wie man an die Sache rangeht. Für die Einen ist es ein erstarrtes Lavafeld. Man kann gut sehen, wo einst brodelndes Gestein bizarre Formen schaffte und sich teilweise mehrere Meter über den Boden aufbaute. Für die Anderen ist es die Heimat von Trollen und Elfen. Für sie gibt es eine Kirche, einen Markt und diverse Behausungen zu sehen.


Ich bin für beide Ansätze zu haben und schlendere entsprechend gerne durch die Anlage. Da Island nicht ganz unbegründet den Ruf hat, dass alles furchtbar teuer ist, sei hier auch mal erwähnt, dass Dimmuborgir eine sehr gute Infrastruktur hat. Parkplätze sind reichlich vorhanden, es gibt ein kleines Restaurant und Toiletten. Alles (inklusive der meisten Wegen durch die Anlage) sogar rollstuhlgerecht und man zahlt exakt 0 Euro/ISK Eintritt. Bei den Toiletten lässt man 200ISK (knapp 1,40 Euro) und das Restaurant hat halt normale isländische Preise. Wer eine sparsame Tour durch Island plant, macht hier recht sicher nichts falsch.
Aber genug vom Reiseführergeplapper. Dimmuborgir hat neben den offensichtlichen WOW-Momenten einen ziemlich cleveren Vorteil geboten – es schützt an sehr vielen Stellen gut vor Wind. Das ist heute nicht ganz unwesentlich gewesen.
Nach ein paar Kilometern im Lavafeld ging es dann weiter. Die grobe Richtung war Þórshöfn. In der Ecke haust jene Frau, die mittlerweile seit gut 3 Monaten versucht uns isländisch beizubringen. Sie hört auf den Namen Romi und kurz gefasst ist sie ein super-angenehmer Mensch. Und da wir nun mal nicht jeden Tag die Chance haben uns zu treffen, haben wir diese Gelegenheit beim Schopf gepackt und uns auf den Weg gemacht.
Die Region um Þórshöfn ist eigentlich auch superschön. Es fehlen vielleicht die herausragenden Publikumsmagneten. Gleichzeitig findet man dann doch mit jedem Blick wieder etwas, was ich hier gern als WOW-Moment beschreibe. Touristen gibt es aber eben sehr wenig und allein deshalb sollte es vielleicht noch mal bei Zeiten besucht werden.
Bei Romi war es dann ein bisschen, als würde man mit jemanden zusammensitzen, den man seit hundert Jahren kennt. Bei Kaffee und Kuchen plauderten wir über Gott und die Welt und hatten einfach eine gute Zeit. Ein Schmankerl hatte sie dann noch für uns „vorbereitet“. Ihr kennt doch sicher diesen Gammelhai, oder?
In Island gibt es eine zweifelhafte Spezialität. Ein Hai, der seine Harnstoffe in der Haut lagert wird solang am Strand eingebuddelt, bis die Giftstoffe draußen sind. Dann wird der Gammelhai noch etwas getrocknet und fertig. Das Problem ist nur: Die Giftstoffe sind raus, die ganzen komischen Sachen, die ihn zum riechen bringen, nicht. Es bleibt dann so ein knorpeliges halbverwestes Etwas, was ziemlich stark stinkt.
Wenn man so eine Tüte Gammelhai öffnet, erinnert das in etwa an den Geruch einer Toilette eines Fußballstadions im Sommer. Da mir hier der Erfahrungswert (Gott sei Dank) fehlt, kann ich nur vermuten, dass es geschmacklich auch sehr ähnlich ist. Ich sag es mal so – wir haben es mal gemacht und selbst während ich nun gute 8 Stunden später diesen Blog schreibe, habe ich den Geschmack bedauerlicherweise noch viel zu präsent im Mund.



Es ist ein Stück isländische Kultur und tatsächlich gibt es wohl genug Isländer, die diesen Mix aus gammeligen Fisch und Amoniak echt gern essen. Und wer bin ich, dass ich sowas verurteile, komme ich doch aus einem Land, wo Leute Weißwürste mit süßem Senf schlürfen. Die Geschmäcker sind eben verschieden und ich kann mich sehr gut darauf verständigen, dass manche Menschen eben sonderbares Zeug essen während mein Geschmackssinn funktioniert.
Da wir noch nach Seyðisfjörður weiter wollten, immerhin auch gute 3 Stunden Autofahrt, ging es dann wieder auf die Straße. Romi hatte noch einen Tipp für uns, dass wir auf dem Weg eine Passstraße mitnehmen könnten, die einen fabelhafte Aussicht bieten würde.
Bevor ich euch Bilder vom Pass zeige, habe ich noch etwas belastendes Material meiner Frau. Da dies hier ein Urlaubs-Tagebuch ist, fühle ich mich geradezu verpflichtet, euch folgendes Bild zu zeigen.

Wir gehen gerade schon stolz auf die 3.000km im Auto zu und das in einer Woche. Dazu unzählige Eindrücke und Erlebnisse. Es sei ihr daher verziehen. So leer, wie die Straßen heute waren, hätte ich vermutlich das Gleiche machen können. Aber zurück zum Text: Der besagte Pass.
Es begann mit einer Holperstraße, die nach kurzer Zeit bereits ein Schild zeigte: „Hier gibt`s keinen Winterdienst und auch sonst kann es mal passieren, dass du nicht weiterkommst.“. Es war mittlerweile von windig in stürmisch übergegangen und der Pass sollte uns immerhin noch mal 600m weiter nach oben führen. Da es uns im Auto aber noch sicher genug vorkam, sind wir weiter.
Zu Beginn war die Straße recht normal. Der übliche Schotter-Schlagloch-Mix, der uns spätestens seit den Westfjorden rein gar nicht mehr juckt. Nach ein paar Minuten Fahrt, kamen wir zu einer Sehenswürdigkeit. Am Straßenrand führte ein unscheinbarer Weg in Richtung Küste. Der Weg hörte gute 50m vor dem Atlantik auf. Wenn man sich dann umdrehte, sah man einen Wasserfall.

Laut Schild heißt der Wasserfall Gljúfurárfoss und wie sollte es anders sein, wir waren völlig allein dort. Theoretisch wäre es dort auch erlaubt gewesen mit der Drohne zu fliegen. Da ich mit meinem stattlichen Körper aber schon zu tun hatte, nicht weggeweht zu werden, habe ich das mal lieber gelassen.
Es folgte dann der versprochene Pass. Die Fahrt hoch ist schon eher aufregend. Die Serpentinen sind so gebaut, dass dort recht sicher keine zwei Autos nebeneinander passen würden. Da direkt beim ersten Anstieg der Regen einsetzte, hatten wir nun also Serpentinen, Steigungen um die 15% und matschigen Grund. Dazu gesellte sich weiterhin der Sturm. Letzterer sorgte in der Kombination der Geschehnisse dafür, dass die Sicht halbwegs gut blieb. Immerhin also etwas Positives.
So schlängelten wir uns nach und nach auf den Berg und kamen dabei auch gut vorwärts. Manch eine Böe brachte das Auto etwas ins wackeln und wenn Kieselsteine hörbar um einen fliegen, beruhigt das auch eher weniger. Wir kamen trotzdem ganz okay über den Kamm. Der Weg bergab war gleichermaßen aufregend wie schön. Es eröffnete sich uns der Blick auf einen Strand, direkt zum Fuße des Berges. Wenn einen nicht gerade der Wind anschiebt, kann man sowas sogar genießen.

Selbstredend hörte der Regen recht schnell wieder auf, nachdem wir vom Berg runter waren. Der Wind dagegen blieb uns bis zum Hotel treu. Ja und da sind wir nun und ich bin gespannt, wie sich der folgende Absatz in Zukunft für mich anfühlen wird.
Nach Seyðisfjörður führt ziemlich genau eine Straße. Wer Walter Mitty gesehen hat, kennt die Straße sogar. Die Skateboard-Szene wurde hier gedreht. Das Problem ist nur, dass man uns im Hotel sagte, dass der Sturm bis morgen Abend noch schlimmer werden soll. Mittlerweile sind wir bei Windgeschwindigkeiten von bis zu 40m/s, das merkt man schon.

Dazu kommt, dass zu morgen die Temperatur stürzen soll. Von heute 15 bis 18°C soll es morgen auf 0 bis -1°C runter gehen. Und da Isländer für gewöhnlich wissen, wenn ihr Land freidreht, sperren sie sicherheitshalber lieber jene Straßen, die am schlimmsten betroffen sind – wie eben die eine, die hier rein/rausgeht. Damit würden wir dann festsitzen.
Die Rezeption hat uns im gleichen Atemzug darauf hingewiesen, dass man für diesen Fall auch noch länger ein Zimmer für uns hätte. Insofern wäre das Drama halbwegs überschaubar. Aktuell sagt der Wetterbericht, dass Regen und Schnee zwischen 9 und 11 Uhr hier einsetzen sollen. Wir werden daher morgen versuchen möglichst früh aufzubrechen. Während ich das schreibe, pfeifft hier übrigens der Wind durch das geschlossene Fenster… mal schauen, wie wir schlafen werden.
Es darf wohl jetzt schon vermutet werden, dass der Tag ein paar neue Erinnerungen geschaffen hat. Drückt mir mal die Daumen, dass ich morgen von einer neuen Ecke Islands berichten kann. Falls das nicht klappt, erkunden wir halt hier die Stadt. Das haben wir heute Abend zwar im Grunde schon getan aber hey, wir sind uns sicher einig, dass das folgende Bild bei Tageslicht noch mal besser wirken wird 🙂

In diesem Sinne
Habe die Ehre
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