Allein in Island
Der Zustand hat sich über Nacht nicht nur nicht verbessert, es ist noch schlimmer geworden. Meine Frau hustet, als gäbe es einen Preis dafür die Lunge oral aus dem Körper zu katapultieren. Keine Chance, dass sie heute Touren mitmacht, geschweige denn das Zimmer verlässt. Muss sie Gott sei Dank auch nicht. Heute war unser Tag ohne Hotelwechsel geplant. Ein Tag, wo wir ziemlich genau das machen, worauf wir Lust haben – oder eben das, was nötig ist. Wir gehen aktuell davon aus, dass es eine Erkältung ist aber eben eine recht fette und was haben eure Eltern mit euch gemacht, wenn ihr erkältet wart? Richtig! Ab ins Bett und auskurieren.
Wer mich kennt weiß, dass ich nicht gerade ein Langschläfer bin. Mit viel Nachdruck kriege ich mich manchmal durchgerungen bis 7 Uhr morgen liegen zu bleiben. Die erste Hürde war also, was machen wir mit dem Tag. Wir einigten uns darauf, dass es wohl das Beste ist, wenn ich einfach mal losfahre und irgendwas mache, damit sie hier im Zimmer in Ruhe schlafen kann.
Das war schon sehr merkwürdig, so allein auf eine Tagestour zu gehen aber rational machte das schon viel Sinn. In so einem Hotelzimmer hätte ich sie sehr sicher früher oder später ausversehen geweckt, vermutlich gar mehrmals.
Also… kurz vor 6 Uhr saß ich im Auto und es ging zum Rauðasandur. Und weil allein reisen noch nicht blöd genug war, gab es als I-Tupferl erstmal richtig dicken Nebel dazu.

Als ich am Parkplatz des Strands ankam, war das Meer zwar zu hören aber nicht zu sehen. Die berühmten Tafelberge, die keine 100m weit weg stehen, waren ebenfalls kaum bis gar nicht sichtbar. Und dann kam da auch noch das nächste Problem. Ich habe so gar keine Balance und vor mir tauchte ein Minifluss mit lauter lockeren Steinen auf. Zugegeben, die Stelle gab es letztes Jahr schon – aber auch da fand ich die schon blöd. Aber was will man machen? Der Tag läuft bisweilen nicht für mich – da kann man auch gleich mal rausfinden, ob er gänzlich gegen mich ist. Ich nahm meinen Mut zusammen und ging beinahe mühelos über die Steine.

Wenn man sich das Bild genauer anschaut, stellt man fest, dass Kamera und ich auf unterschiedlichen Seiten des Flusses stehen. Ich bin daher noch mal zurück – wieder erfolgreich – wollte ja aber eigentlich wirklich rüber und war damit an dieser Stelle 3x erfolgreich über Wasser gelaufen. Nimm das Jesus!
Jedenfalls, motiviert von diesem Erfolg, wollte ich einfach nur das Meer sehen und schauen was dann passiert. Dazu muss man wissen, dass der Rauðasandur einen sehr weiten Weg zum Wasser hat. Man kann hier an manchen Stellen durchaus 2-3km zum Wasser zurücklegen. Das sieht im Bild etwa so aus.

Außerdem, gibt es durch die Unmengen an unverbrauchtem Sand genug Gelegenheiten, um Dinge im Sand zu zeichnen. Manche Chancen nutze ich sogar.

Nach einer Weile kam ich dann tatsächlich am Wasser an. Zwei Dinge fielen mir an dieser Situation dann sofort auf:
- Das Wetter war deutlich besser geworden. Kein Nebel mehr, kein Nieseln und man erahnt blauen Himmel an manchen Stellen.
- Meine Drohne liegt gut vorbereitet im Auto.
An dieser Stelle möchte ich allen neuen Lesern den Hinweis geben, warum der Blog „My Daily Bad Luck“ heißt. Ich bin also zügig wieder zurück zum Auto und habe die Drohne geholt. Und ja, das bedeutet auch, dass ich zwei weitere male über den Fluss musste. Es sollte sich lohnen.

Ich bin fast eine Stunde lang geflogen. Mein Urlaubsfilm wird also wieder gespickt mit spektakulären Aufnahmen. Gleichzeitig hatte ich dann noch ein paar Ecken entdeckt, wo ich mit der GoPro schön Aufnahmen machen kann. Man muss sich das so vorstellen, dass ich mit einem Arsenal an Technik sehr aufgeregt über den Strand rannte und am liebsten 100 Fotos / Video gleichzeitig schießen wollte. Geduld ist übrigens neben Ausschlafen mein zweites großes Manko. Fotos und Videos zähl ich übrigens wegen solcher Ergebnisse nicht zu meinen Schwächen.

Es gibt noch eine Tonne mehr an Material aber der Blog wird eh zu lang und ihr kriegt die Idee. Der Rauðasandur ist sehr schön – Punkt.
Ich bin nach einer kleinen Ewigkeit dann zurück zum Auto und zu einer naheliegenden schwarzen Kirche gefahren. An dieser Stelle möchte ich euch meinen persönlichen Trend des Spiegel-Bildes zeigen. Aus irgendeinem Grund parke ich gerade gern so, dass im Spiegel so manch ein Objekt sehr ansehnlich daherkommt. Dazu gesellt sich da ein Spiel mit dem Fokus oder Bildschärfe (was auch immer der Fachbegriff ist) et voila – mir gefällts.

Wie ernst mir mein Trend ist, finden wir auf dem Pass heraus, der mich vom Strand zurück in die Zivilisation führt. Also… falls Island eine Zivilisation hätte. Auf besagtem Pass finden sich nämlich diverse kleinere Wasserfälle. Normalerweise sind sie durch die Lage vom Nebel bedeckt, den ja auch ich heute früh erleben musste. Bei meiner Rücktour haben Island und ich Wetterfrieden geschlossen.

Ich wollte dann erstmal zurück zu meiner Frau. Wir standen zwar übers Handy im Kontakt aber naja… einfach mal schauen, wie es geht. Einzig – ein Zwischenstopp gab es noch beim Schiffswrack der Garðar BA 64. Da muss man nicht irre viel Erkunden aber da die Sonne halbwegs da war und es auf dem Weg liegt, nimmt man es mit.

Beim Hotel angekommen, hatte meine Frau tatsächlich Wünsche. Namentlich Taschentücher und vielleicht mal bei einer Apotheke nachfragen, ob die nicht weiterhelfen können. Ich habe an dieser Stelle also eine kleine Tour durch die Innenstadt von Patreksfjörður eingelegt. Kleiner Fun-Fact – es gibt hier zwei Supermärkte – keiner hat aktuell Taschentücher. Die hiesige Apotheke hatte dagegen ein ganzes Lager, selbstredend zu Apothekenpreisen. Kleiner Würfel Kleenex = 5 Euro. Gönnen wir uns.
Wir haben dann auch noch ein Käsebrot zusammen gegessen, aber dann wollte sie weiter schlafen und ich… musste / durfte / sollte / konnte dann noch mal los. Dieses mal ging die Reise zum Látrabjarg.
Der Vorschlag kam noch von meiner Frau. Meine Frau, die übrigens keine Probleme mit Höhen hat. Und ich hatte irgendwie das Gefühl, sie würde sich am Ende dann doch drüber freuen, wenn sie Bilder und Videos vom Látrabjarg sieht. Entsprechend motiviert hab ich mich also auf dem Weg gemacht – trotz Höhenangst.
Unterwegs kam ich an einem kleinen Draußen-Museum vorbei. Dort steht eine alte U.S. Flugmaschine und zerfällt vor sich hin. Man kann mittlerweile sogar von der Seite in den Rumpf krabbeln und dadurch dann einen Blick ins Cockpit werfen.

Aber zurück zur eigentlichen Tour. Beziehungsweise vorher ein kleiner Tipp, falls ihr mal in die Situation kommt: Wenn man Höhenangst hat, sind 400m hohe Steilklippen mitunter schwierig. Aber ich habe mich ja auch nicht eine Stunde ins Auto gesetzt, um dann nichts daraus zu machen.

Ich lobe mir an dieser Stelle Deutschland. Stünde dieser Berg an einer deutschen Küste, wir hätten mit Sicherheit ein ganzes Amt, welches sich um nichts anderes kümmert, als dass der Sicherheitszaun ein paar ISO-Normen erfüllt. In Island hat man im Gießkannen-Prinzip ein bisschen Seil auf Kniehöhe gespannt und hofft aufs Beste.
Schön anzusehen, ist das alles natürlich. Der ganze Berg ist aktuell komplett im Beschlag von vermutlich allen Vögeln der nördlichen Hemisphäre. So ein Getöse bei so einer Aussicht.

Und dann steht man da – 2m weg vom freien Fall und permanent schießen die Vögel an einem vorbei. Man kann spüren. wie ihre erbsengroßen Gehirne kaum einen Zusammenhang verstehen. Aber das sie die Schwerkraft biegen können und ich nicht – das wissen sie genau und zeigen es mir nur allzu gern.
Es entstand dann irgendwann das folgende Bild und vermutlich reicht das zur Erklärung, warum ich dann weiter gezogen bin.

Nachdem ich heute früh bereits gute Erfahrungen mit einem Strand gemacht habe, ging es für mich zum Barðastrandarsandur. Die Sonne kam auch noch mal richtig raus und ich konnte problemlos ohne Jacke (im Pullover) herumschlendern.

Und dann hatte ich einen Einfall, der womöglich nicht der Cleverste ist aber ich bin trotzdem sehr glücklich damit, dass ich es gemacht habe. Meine Damen und Herren – ich war mit den Füßen im Wasser.

Ehrlich gesagt hat es danach wirklich einen Moment gebraucht, bis das Blut wieder in alle Zehen wollte. Aber wie oft hat man schon Badewetter am Strand in Island? Eben.
Die Drohnenakkus und meine eigenen teilten sich dann das Schicksal sehr leer zu sein. Es sollte dann langsam zurück zum Hotel gehen. Auf dem Weg entdeckte ich noch den Kleifabúi.

Was da so hervorsteht, ist übrigens sein Arm – ihr Ferkel! Tatsächlich steht der gute Dort, weil damals Isländer beim Straßen bauen anfingen Steine aufzutürmen. Ein Künstler gab ihm einen Kopf und nun ist für alle Reisenden da.
Wie dem auch sei. Es war ein langer Tag. Meine Frau hustete bei meiner Rückkehr immer noch. Es gibt schlechtere Anlässe, um mal den Zimmerservice zu nutzen. Morgen wird sicherlich auch noch nicht alles wieder gut sein. Zumal wir die Herausforderung meistern müssen, dass ein Hotelwechsel ansteht und damit verbunden eine Fahrt von mindestens zwei Stunden.
Aber seit meiner x-fachen Flussüberquerung heute kann wohl mit Fug und Recht behauptet werden, wir schaffen alles!
In diesem Sinne
Habe die Ehre
X
PS: Ich muss noch Koffer packen und bin zu müde zum Korrekturlesen – ihr schafft das schon so 😉
💪💪💪
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Pahhhh, in Norwegen gibts nich mal Seile, musste sehn wie du überlebst 😉 Aber schöne Story, krieg doch gleich wieder ein wenig Fernweh. Liebe Grüße ans kranke Frauchen und gute Besserung. Aber du weißt ja wies ist: Erkältung dauert mit Medis 14 Tage, ohne 2 Wochen. Aber es wird besser, hab auch die erste Woche rum, schnief, nies, röchel 😉 P.S. Keine Fehler im Text gefunden 👍
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Ich nehm ja extra Island lieber als Norwegen weil es hier eigentlich nicht sooo hoch ist 😉 Zurzeit will die Erkältung nicht so richtig weggehen aber wir arbeiten daran. Danke also für die Genesungswünsche – und Danke auch fürs Kontrolllesen 😉
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