Dann stecken wir eben fest. Cocktail?
Ich mag das Wort „tja“ es ist so wunderbar urdeutsch und beschreibt wirklich alles. Milch alle? Tja… Zug verpasst? Tja… Die meistbefahrene Straße Islands wegen einem Sturm gesperrt? Tja… Ihr dürft an dieser Stelle raten, welches der drei „Tja“ auf unseren heutigen Tag zutrifft. Zwei kleine Tipps dazu: Unser Milchvorrat ist stabil und es gibt in Island keine Züge.
Der Reihe nach: Heute früh wurde ich wach und hatte ein beklemmendes Gefühl in der Magengegend. Der Umstand, dass wir letztes Jahr aufgrund eines Sturm feststeckten und nun genau in der gleichen Ecke wieder Sturm herrscht, beunruhigte mich mehr, als mir lieb war.
Es ging trotzdem voller Tatendrang in den Tag. Schließlich schien die Sonne und die Strecke für sich genommen ist einerseits sehr schön und anderseits auch relativ lang. Schließlich wollten wir den gesamten Südosten an einem Tag durchfahren. Raus aus den Ostfjorden, rein in den Südzipfel des größten Gletschers Europas. Ein paar hundert Kilometer und locker 4 Stunden Fahrt – tendenziell sogar mehr.
Man muss dazu sagen, dass es hier in der Ecke relativ wenig große Highlights gibt. Im Süden lauern dann die kommenden Tage lauter Sehenswürdigkeiten, die man schon mehrfach gesehen hat oder deren Namen man sogar als Nicht-Island-Fan kennt. Hier im Osten ist es eher so, dass man permanent durch Postkartenmotive fährt und einfach an beliebigen Rastplätzen anhält und sich freut. Namen sind allerdings Schall und Rauch – man muss einfach anhalten und dann findet man schon was.

Nach und nach kamen wir aus dem bergigen Teil heraus und fanden uns an den Küstenstraßen wieder. So ganz hören die Berge da fjordbedingt natürlich auch nicht auf. Der Fokus wanderte aber dennoch mehr aufs Wasser. Ein ums andere mal fand ich mich auf einem Parkplatz und staunte wieder einmal nicht schlecht, wie gewaltig die Wellen gegen die Steine preschen.

Wobei… einen kleinen Abstecher ins Landesinnere gab es noch. Wir wollten zu einem Wasserfall, den wir letztes Jahr sturmbedingt nicht bewundern konnten. Auf dem Weg dorthin zeigte uns der Wind, dass er auch dieses Jahr nicht möchte, dass wir diesen Wasserfall sehen. Nach ein paar Minuten in denen sich das Auto als Spielball der Luft erwies, beschlossen wir, doch lieber auf diesen Umweg zu verzichten. Trotzdem sollte sich der kleine Abstecher lohnen, denn plötzlich standen vor uns zwei Rentiere.

Natürlich hat man solche Tiere schon mal gesehen. Sei es im Fernsehen oder in einem Tierpark. In freier Natur hat sowas aber immer noch ein wenig mehr Zauber. Die beiden hüpften über einen kleinen Zaun und grasten dann auf einer saftig-grünen Wiese. Für ein paar Momente waren durch die beiden auch meine Sorgen, über ein mögliches erneutes Feststecken durch Wind und Wetter, vergessen.
Unser Weg führte uns dann zum Blábjörg. Der Name bedeutet frei übersetzt soviel wie Blaue Felsen. Im englischen nennt sich das Gebiet übrigens Green Rock – also Grüne Felsen. Mich amüsierte dieses sprachliche Schmankerl bereits letztes Jahr. Mittlerweile habe ich sogar eine Theorie gelesen, woher dieser sprachliche Farbwechsel kommt.
Es war wohl früher so, dass es durch unterschiedliche Dialekte im isländischen nur ein Wort für blau und grün gab. Was genau gemeint war, musste der Kontext des Satzes oder eben in diesem Fall die ganze Gegend klären. Den alten Vikingern fehlte offenkundig die Weitsicht, dass deutsche Touristen kommen, die sowohl Englisch sprachen als auch ein wenig Isländisch verstehen.

Für die, die es interessiert: Heute muteten die Steine eher grünlich an. Das Wasser hatte eine Spur von Blautönen und insgesamt geht es damit schon in Ordnung, dass dieser Ort eine natürliche Verwirrung um grün und blau hat.
Wir fuhren dann noch an dem Hotel vorbei, wo wir letztes Jahr das letzte Zimmer der Region bekommen hatten. Offen gestanden kam mit diesem Hotel auch das mulmige Gefühl zurück, dass heute doch noch was passieren könnte. Also schnell daran vorbei.
Für die nächste Zerstreuung sorgte ein Wasserfall. Direkt neben einem Rastplatz findet sich der Barkináfoss und ich spürte sofort, wie mich der Gute in seinen Bann zog.

Der Wasserfall ist weder sonderlich hoch noch für isländische Verhältnisse übermäßig spektakulär. Für den Entdecker in mir, war jedoch der Weg dorthin schon sehr toll. Auf einem Trampelpfad wollten ein paar größere- und ein paar kleinere Steine überwunden werden.

Ab und zu wehte der Wind mir schon ein paar Tropfen der Gischt ins Gesicht. Aber wenn man erstmal in so einem Trott ist, will man auch ganz nah ran. Ich kletterte über ein paar Findlinge und stand dann direkt am Becken des Wasserfalls.

Das war schon toll! Normalerweise ist meine Frau diejenige, die solche Ausflüge macht und nicht vor unwegsamen Pfaden zurückschreckt. Heute merkte ich, dass es nur den richtigen Moment und den richtigen Ansporn braucht und ich bin nicht mehr aufzuhalten.

Mit diesem Erfolgserlebnis sind wir weiter entlang der Küste. Die Sonne schien und lies einen fast vergessen, dass draußen Sturm herrschte. An einem Rastplatz gönnten wir uns einmal mehr selbstgemachte Hotdogs. Dabei genossen wir – ebenfalls einmal mehr – den Anblick, wie die Wellen das Ufer erobern wollten.

Und dann kam es: Das „Tja“ des Tages. Meine Frau hatte ihr Handy in der Hand und die App von road.is offen. „Die Ringstraße ist gesperrt.“ Tja… und nun? Erstmal ein Spiegelbild auf den Schreck.

Wir hatten schon den ganzen Tag dieses leicht-mulmige Gefühl, dass sowas passieren konnte. Wie es dann in so einer Situation ist, macht man sich natürlich den ein oder anderen Gedanken. Bei uns war es so, dass wir in Höfn einen Zwischenstopp eingeplant hatten, um uns die Karten zu legen, wie es weitergeht.
Als erstes riefen wir bei road.is an und fragten nach, wie schlimm es denn ist. Die kurze Antwort – gerade ist es sehr blöd aber sie hoffen, dass im Laufe des Tages die Straße wieder freigegeben wird. Ob und wann genau das passiert, wissen sie natürlich nicht. Tja,,,
Mir kam dann der Geistesblitz, dass ich bei unserem Hotel anrufe und bescheid sage, dass wir wahlweise später oder gar nicht kommen. Es sollte sich so fügen, dass unser Hotel zu einer Kette gehört und es keine 20 Minuten von Höfn entfernt noch ein Hotel von ihnen gibt. Man fragte uns, ob wir dann einfach umbuchen möchten. Ohne groß zu zögern, haben wir dieses Angebot angenommen.
Im Hotel angekommen, haben wir ein mehr als okayes Zimmer bekommen. Unser Bad mit Dusche hat eine Fußbodenheizung und ich weiß, dass es in Island viele Dinge gibt, über die man sich sonst freuen kann. Aber Fußbodenheizung in der Dusche ist schon echt was feines.
Als wir uns gesammelt hatten, war es knapp 16 Uhr. Es war also noch ein wenig früh um so gar nichts mehr zu machen. An der Rezeption hatte man uns beim Einchecken mitgeteilt, dass die Hotelbar gleich öffnet und ab 17 Uhr Happy Hour ist. Tja.. dann ist heute eben ein Tag zum entspannen.
Bewaffnet mit ziemlich guten Cocktails wurden heute unzählige Postkarten auf den Weg gebracht. Immerhin haben wir damit also auch das geschafft. Leicht beschwipst haben wir dann bemerkt, dass das Hotel teilweise recht lustige Dinge treibt. Da wäre zum Beispiel die Musik in der Bar. Zwischen Jazz und House kommt dann auch gern mal der kitschigste Pop. Mein persönlicher Favorit fürs Humorzentrum war die Herrentoilette. Zwischen zwei Pissoire stand eine Klobürste. Ich bin sehr sicher, dass es dazu eine Geschichte gibt – ich traue mich aber nicht, an der Rezeption danach zu fragen. So oder so – habe ich im Hotel also auch etwas zum ersten mal gesehen.
Im Laufe des Nachmittags wurde die Straße tatsächlich schon wieder freigegeben. Tja, hätten wir also doch zu unserem Hotel weiterfahren können. Offen gestanden hält sich das Ärgernis aber in überschaubaren Grenzen. Cocktails und Postkarten sorgten für gute Stimmung und es sollte auch noch ein anständiges 3-Gänge Dinner folgen.




Morgen ist auch noch ein Tag und dann fahren wir eben einfach ein paar Kilometer mehr. Dafür, dass am Ende ziemlich genau das passiert ist, wovor ich am meisten Sorgen hatte, geht es mir nun doch erstaunlich gut.
Klar, es hilft zu wissen, dass die Straße bereits wieder geöffnet und gut befahrbar ist. Ich denke aber auch, dass wir aus diesem Tag unterm Strich trotzdem etwas sehr gutes gemacht haben. Ich bin sogar geneigt zu sagen, dass man für kommende Urlaube auch mal planmäßig einen Cocktail-Tag andenken sollte.
Wir werden sehen, ob sich der Gedanke hält. Erstmal kommt morgen nun wieder ein Tag, wo wir sehr viel Zeit auf der Straße verbringen werden. Der Süden Islands hat eine Menge zu bieten und ich freue mich jetzt schon sehr – denn morgen werde ich sehr sicher schwimmende Eisberge sehen. Kaum hab ich das geschrieben, bin ich aufgeregt. Tja, so kann es gehen.
In diesem Sinne
Habe die Ehre
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